Die meisten Schachfreunde sind darüber enttäuscht, weil sie natürlich viel lieber wilde Kombinationen mit klaren Entscheidungen sehen wollen. Aber kann man den beteiligten Spielern einen Vorwurf machen? - Sicher Nein!
Wenn Super-Hirne jenseits der 2700 Elo aufeinander treffen, kennen sie die Stärken und Schwächen ihrer Pappenheimer schon sehr genau. Bei WM-Matches aber, wo man es ja nur mit einem einzigen Rivalen zu tun hat, wird dieser bis ins kleinste Detail durchleuchtet. Monatelang werden seine Partien mit Sekundanten und Computern analysiert. Man konzentriert sich auf einige wenige Eröffnungen, die bis in feinste Verästelungen untersucht werden, um Neuerungen und diffizile Abspiele zu finden, die den Widersacher überraschen könten.
Wenn sich aber all diese Vorbereitungen in der praktischen Partie nicht durchsetzen lassen, weil der Gegner auch nicht untätig war, dann ist es keinem Spieler zuzumuten, wider besseres Wissen etwas zu spielen, womit er dem Anderen womöglich entgegenkommt. Dann heißt es eben 'Safety First' und Warten auf die nächste Gelegenheit.
Eine grundlegende Wende zum Besseren könnte nur die Hinwendung zum 'Schach960' bringen, bei dem die Grundstellung ausgelost wird und sich 960 verschiedene Ausgangsstellungen ergeben. Dann wären Eröffnungswissen und gezielte Vorbereitungen nutzlos und es müssten über Jahrzehnte hinweg neue Taktiken und Strategien entwickelt werden - sofern dies überhaupt möglich wäre.
Das aber geht dem Gros der Spitzenspieler dann doch zu weit. Sie möchten ihren mühsam erarbeiteten Wissensvorsprung lieber behalten und sich nicht auf unbekanntem Terrain von hergelaufenen Naturtalenten vorführen lassen.
Deshalb werden wir auf höchstem Niveau noch lange mit der Remisflut leben müssen.rit