Mit dem neuen Weltmeister Magnus
Carlsen hat sich ein junger Mann an die Spitze gesetzt, dessen Überlegenheit so groß
und evident ist, dass kein anderer Super-GM in der Lage scheint, ihn
ernsthaft zu gefährden. Das deutet auf eine ganz lange Herrschaft in der
Schachszene hin.
Aber es kann auch anders kommen.
Ein junger und vitaler Mensch, der einsam auf einem Postament steht, kann sich
schnell langweilen, wenn es keine konkreten Ziele und Herausforderungen mehr
gibt. Anders als Judit Polgar, die bei den Frauen ähnlich herausragt, aber in
die stärkere Liga der Männer wechseln kann, steht Carlsen ein solcher Weg nicht offen.
Da fällt es schwer, die Motivation
für ständiges hartes Training über Jahre hinaus aufrecht zu erhalten.
Stillstand aber ist relativer Rückschritt, was der Konkurrenz
wieder Anschlussmöglichkeiten eröffnet. Auguren verweisen schon heute auf Wunderkinder
aus Indien und China, die bald frischen Wind bringen könnten.
Es kann aber auch passieren, dass Carlsen
sich plötzlich völlig anders orientiert. Paul Morphy hat zum Beispiel auf seinem
Zenit das Schach ganz aufgegeben und keine Figur mehr angerührt. Bobby Fischer
hat sich als Eigenbrötler in sein Schneckenhaus zurückgezogen und Garri
Kasparov lebt seine Streitlust inzwischen in der Politik aus. Vielleicht
erleben wir Carlsen einmal als Kinderarzt oder als Höhlenforscher oder als
Pokerspieler. Warten wir’s ab.
rit